Erste politische Bildungsfahrt nach Berlin

Vom 28.07.-01.08.2019 fand die erste Berlinfahrt unter dem Motto „Demokratie und Politik selbst erfahren“ statt. Die 37 Teilnehmer*innen kamen zumeist aus Syrien, Ägypten und dem Irak.

Nach einer mehrstündigen Busfahrt, in der ein erster Austausch mit den TeilnehmerInnen stattfand, kamen wir um 21 Uhr am Sonntagabend in Berlin an, wo uns der Referent Volker Niemetz begrüßte. Nach einem gemeinsamen Abendessen und einer kurzen Einführung und Darstellung der wesentlichen Programmpunkte der folgenden Tage endete der Sonntag.

Der Montag begann mit einem einführenden Referat zur Rolle Berlins als zentralem Ort deutscher Geschichte, hierbei wurden sowohl historische als auch gegenwärtige Orte politischer Bedeutung benannt, wobei auch auf den Wandel des Stadtbildes eingegangen wurde. Danach sollte es mit dem Besuch des Abgeordnetenhauses um Gewaltenteilung und Politik in der Praxis gehen. Nach einer Führung, in der bei der Besichtigung auf die Geschichte des Hauses und die jetzigen Aufgaben eingegangen wurde, fasste eine Filmvorführung die politischen Abläufe im Haus bündig zusammen. Bevor es dann zum Gespräch mit drei Abgeordneten des Hauses kam, wurde anhand des Föderalismus das Subsidiaritätsprinzip und die vertikale Gewaltenteilung erläutert.

Führung im Berliner Abgeordnetenhaus

Hiernach kam es zum Gespräch mit Berliner AbgeordnetInnen. Ülker Radziwill (SPD), Stefanie Fuchs (Die Linke) und Dr. Susanna Kahlefeld (Bündnis 90/ Die Grünen) berichteten von ihrer Arbeit als Beteiligte der aktuellen Berliner Regierung und stellten sich dann den Nachfragen der Teilnehmer*innen in einer offenen Runde, wobei auf zahlreiche vorgebrachte Probleme und Fragen eingegangen werden konnte. Hierbei stellte sich heraus, dass gerade in Berlin Herausforderungen einer sich stetig im Wandel befindenden Bevölkerung seit jeher zentral sind und verschiedene Formen des möglichen Umgangs mit ihnen immer wieder neu erprobt werden.

Gespräch mit Berliner Abgeordneten

Gespräch mit Berliner Abgeordneten

Im Anschluss an das Gespräch wurde die Dauerausstellung der Dokumentationsstätte „Topographie des Terrors“ besucht. Das Gelände war während des dritten Reiches Zentralort der Planung und Lenkung der meisten nationalsozialistischen Verbrechen, da hier mit dem Reichssicherheitshauptamt, der Reichsführung-SS und dem Geheimen Staatspolizeiamt die wichtigsten Institutionen des staatlichen Terrorapparates untergebracht waren.

Hierauf folgte der Besuch der KulturMarkthalle, ein Zentrum für Alt- und Neuberliner. In Räumen, die die jüdische Gemeinde Berlin zur Verfügung stellt, werden hier diverse Kultur- Sprach und –Bildungsangebote von einer großen Zahl an ehrenamtlichen Helfern ermöglicht. Die Zielgruppe ist zum größten Teil, aber nicht ausschließlich migrantisch. Mit Cafés und Ausstellungen wird versucht, in der Umgebung lebende Menschen zum aktiven Mitgestalten zu animieren. Um 18 Uhr folgt der Besuch einer kleinen Ausstellung, in der auf künstlerischem Wege versucht wurde, Erfahrungen der Migrationsgeschichte und der politischen Auseinandersetzung im Nahen Osten greifbar zu machen, ohne sich dabei dezidiert einer Position zuzuschlagen.

Der nächste Tag begann mit einer Aufteilung der Gruppe und dem Besuch zweier unterschiedlicher Orte. Die erste Gruppe besuchte das Quartiersmanagement in Kreuzberg und konnte von der Referentin Laila Atrache zahlreiche Informationen zur grundlegenden Arbeit, Funktionsweise und zu den Herausforderungen, die sich ihr täglich stellen, erfahren. Quartiers- oder Stadteilmanagement versucht durch Zusammenführung verschiedener Akteure aus Verwaltung, Politik, Wirtschaft und der lokalen Anwohnerschaft, lokal auftretende Probleme, die von Arbeitslosig- und damit einhergehender Perspektivlosigkeit über Gentrifizierung bis hin zu Überalterung und mangelnder Nachbarschaftshilfe führen durch Zusammenarbeit und Planung zu lösen.

Wichtig war hierbei auch die Konfrontierung mit eigenen Vorstellungen, die mitunter das ehrenamtliche Engagement noch als alternative Durchsetzung der eigenen Interessen verstanden, wohingegen die Referentin plausibel und für alle verständlich erklären konnte, dass dies als ein sekundärer Nebeneffekt mitunter eine Rolle spielen mag, im Vordergrund aber die Tätigkeit für das gute Zusammenleben mit anderen steht.

Besuch beim FC Karame

Die zweite Gruppe besuchte den gemeinnützigen Verein FC Karame. Dieser 1978 gegründete Verein engagiert sich mit Aktivitäten und Projekten in den Bereichen Jugendhilfe, Jugendsport und Bildung und richtet sich an Kinder und Jugendliche arabischer Herkunft. Der Vereinsgründer Mohamed Zaher klärte über die zahlreichen Projekte des Vereins auf und gab in der anschließenden Fragerunde ausführlich Gelegenheit, sich detailliert nach den Aktivitäten zu erkundigen. Dabei reichen diese von direkter Unterstützung in Form von Hausaufgabenbetreuungen und Hilfestellungen bei schulischen Problemen über Sportangebote bis hin zu Informations- und Diskussionsabenden, die sich unter anderem mit dem Thema Einwanderung, Zugehörigkeit, Identität und Herkunft beschäftigen. Hierbei stehen als zivilgesellschaftliche Ziele Gewaltprävention und Akzeptanz fremder Kulturen, sowie Integration bei Jugendlichen im Vordergrund.

Nachdem die beiden Gruppen sich wiedergetroffen haben, folgte ein Rundgang im Regierungsviertel und danach der Besuch des Reichstages, in dem ausführlich über Vorgänge und Abläufe des Parlamentes informiert wurde.

Kein Berlinbesuch ohne ein Foto vor dem Wahrzeichen

Im Berliner Reichstag

Auf dem Dach des Reichtsages

Im Anschluss wurden das Holocaustmahnmal und das Mahnmal der ermordeten Sinti und Roma besucht, hierbei wurde die maßgebliche Rolle betont, welche Erinnerungskultur im Berliner Stadtbild spielt. Es ergaben sich zahlreiche Fragen der Teilnehmer vor Ort. Die Wichtigkeit des Gedenkens und auch der aktiven Beschäftigung mit der eigenen Geschichte war hierbei zentrales Thema.

Der dritte Tag begann mit einem Besuch bei der Koptischen Gemeinde Berlins. Die Gruppe nahm an einem Gottesdienst teil und hatte danach bei einem gemeinsamen Mittagessen mit der Gemeinde die Möglichkeit zum Austausch, wobei sich viele Anknüpfungspunkte von beiden Seiten ergaben und das Leben und die Herausforderungen, welche sich in einer anderen Kultur stellen, zentrales Thema waren.

Am Nachmittag wurde die Ulme 35 in Charlottenburg besucht.  Die vom Land Berlin zur Verfügung gestellte Villa versteht sich als interkultureller Willkommens- und Begegnungsort. Neben zahlreichen Veranstaltungen, zu denen ebenso Sprach- und Lernkurse wie Vernissagen, Konzerte und Diskussionsabende gehören, bietet die Ulme 35 auch Beratungsstellen, eine mehrsprachige Bibliothek, ein Café und durch Ateliers und Werkstätten auch den Raum, sich selbst kreativ einzubringen. Nach einer Führung, bei der Amei von Hülsen-Poensgen viel zu den verschiedenen Bereichen erklärte und uns über die Hintergründe und den nicht immer einfachen Weg der Ulme 35 berichtete, konnten wir dem Konzert: RomnjaJazz lauschen, das im Rahmen des Projekts „Kunst trotz(t) Ausgrenzung“ im Salon der Ulme 35 stattfand.

Gespräch in der Ulme 35

Nach den sehr ereignisreichen Tagen voller neuer Informationen, Eindrücke und vieler Gespräche verabschiedeten wir uns von Herrn Niemetz und brachen am Donnerstagmorgen zurück in die alte Bundeshauptstadt auf.

Die Fahrt wurde in Kooperation mit dem Haus der politischen Bildung Berlin durchgeführt und von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert.